Die Moderation von Hassrede, Desinformation und polarisierenden Diskussionen ist eine der herausforderndsten Aufgaben im Community- und Social Media Management.
Unternehmen und Organisationen, die Community Manager*innen beschäftigen, stehen dabei nicht nur vor organisatorischen und inhaltlichen Herausforderungen, sondern haben auch eine klare arbeitsrechtliche Verantwortung. Neben den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen spielen vor allem der Schutz vor psychischer Überlastung, faire Arbeitsverteilung und die Berücksichtigung von Homeoffice-Arbeitsplätzen eine zentrale Rolle.
Welche Verpflichtungen daraus folgen und was sonst dafür sorgt, dass Community und Social Media Manager*innen in einem guten Umfeld arbeiten können, skizziere ich in diesem Beitrag. Ergänzt wird der Beitrag durch ein Muster für eine Gefährdungsbeurteilung, eine Reihe von Interviews aus vorbildlichen Unternehmen und Organisationen, sowie eine Schritt für Schritt Anleitung zu einem besseren Arbeitsumfeld.

Warum sich die Investition in ein gutes Arbeitsumfeld für Community und Social Media Manager*innen lohnt

Ich gebe zu, die Abschnitts-Überschrift fühlt sich falsch an, denn eigentlich sollte kein Arbeitgebender eine Erklärung dafür brauchen. Ein Blick in den Arbeitsmarkt, mein E-Mail Postfach und die Studie des BVCM zeigt leider das Gegenteil.

Abbildung der Studie des BVCM zu der Frage die Größten Herausforderungen.
Abbildung 1: Die aktuell größten Herausforderungen der Teilnehmenden an der BVCM-Studie* Evertz, Katja/Evertz, Stefan

Das Ergebnis der BVCM-Studie zeigt klar die größten Herausforderungen liegen bei fehlenden Mitarbeiter*innen (50%), fehlenden Ressourcen (50%) und fehlender Zeit (40%). Das fehlende Verständnis für Social Media und/oder Communities, was mit 49% auf Platz drei liegt, ist meiner Meinung nach Ursache wie Symptom. Zumindest ist es das Bild, was ich immer wieder in Gesprächen geschildert bekomme. Genau deswegen ist es mir wichtig an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich zu sagen:

Community- und Social-Media-Manager*innen sind das Rückgrat jeder digitalen Kommunikation und die letzte Bastion gegen den Hass. Sie tragen eine immense Verantwortung und Bürde, was entsprechend unterstützt und gewertschätzt werden muss!

Gutes Community Management sorgt für ein gesundes Online-Klima, macht Diskussionen auf Augenhöhe (wieder) möglich und schützt somit das Unternehmensimage. Wer in ein stabiles und unterstützendes Arbeitsumfeld investiert, profitiert außerdem von:

  • Geringerer Fluktuation: Eine realistische Arbeitsbelastung, regelmäßige Weiterbildung und psychologische Unterstützung sorgen für langfristige Mitarbeiterbindung.
  • Höherer Effizienz: Menschen, die sich nicht dauerhaft überlastet fühlen, können schneller und gezielter auf kritische Inhalte reagieren.
  • Besserer Community-Pflege: Ein ausgeglichenes Team kann empathischer agieren und damit das Community-Erlebnis verbessern.
  • Weniger Ausfall durch Krankheit: Stress beeinträchtigt das Immunsystem, Prävention hilft

Leider weiß ich, dass diese Argumente nicht bei allen Arbeitgebenden ausreichen, deswegen komme ich nach einer kurzen Ausführung über die Herausforderung durch Hassrede gleich zu den arbeitsrechtlichen Verpflichtungen.

Warum die Moderation von Hassrede, polarisierenden Diskussionen und Desinformation problematisch ist

Die Moderation von Online-Kommentaren ist anspruchsvoll und psychisch belastend. Besonders problematisch wird es, wenn:

  1. Zu wenig Arbeitszeit für die Menge an Kommentaren vorhanden ist:
    • Das Volumen übersteigt die verfügbare Arbeitszeit, wodurch eine qualitative Moderation nicht mehr gewährleistet ist.
    • Unmoderierte Hassrede kann negative Auswirkungen auf die Community und das Unternehmensimage, sowie sogar rechtliche Konsequenzen haben.
    • Das Gefühl niemals fertig zu werden, sorgt für Überforderung, fehlende Selbstwirksamkeit und sogar Schuldgefühle
  2. Homeoffice-Arbeit die Belastung verstärkt:
    • Fehlt der direkte Austausch mit Kolleg*innen, sind Mitarbeitende stärker auf sich allein gestellt.
    • Die Trennung zwischen Beruf und Privatleben verschwimmt, was das Stresserleben erhöht.
    • Unternehmen müssen besondere Maßnahmen ergreifen, um Community-Manager im Homeoffice zu unterstützen.
  3. Nur eine Person die Aufgabe übernimmt:
    • Die gesamte Last liegt auf einer einzelnen Person, was Stress und psychische Erschöpfung fördert.
    • Ohne die Möglichkeit des Austauschs mit Kollegen fehlt die emotionale Entlastung.
    • Die Resilienz sinkt mit der Zeit, was zu Burnout führen kann.

Rechtliche Grundlagen: Arbeitsschutz und Arbeitszeitregelungen

Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass ihre Community-Manager unter fairen und sicheren Bedingungen arbeiten können. Die Einhaltung von Arbeitsschutz ist dabei das absolute Minimum. Hier sind die wichtigsten arbeitsrechtlichen Aspekte, die dabei berücksichtigt werden müssen.

Recht auf Gefährdungsbeurteilung

Laut § 5 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz) müssen Arbeitgebende eine Gefährdungsbeurteilung durchführen, um physische und psychische Belastungen zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Eine Gefährdungsbeurteilung ist die systematische Ermittlung und Bewertung potenzieller Gefahren am Arbeitsplatz. Ziel ist es, Risiken frühzeitig zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen zu minimieren. Sie dient sowohl dem Schutz der Beschäftigten als auch der rechtlichen Absicherung der Arbeitgebenden. Die Leitlinie zur Gefährdungsbeurteilung hebt hervor, dass dies nicht nur physische, sondern auch psychische Belastungen umfassen muss, insbesondere bei Tätigkeiten mit hohem Stresslevel wie der Moderation von Hassrede.

Für Arbeitgebende bedeutet eine umfassende Gefährdungsbeurteilung:

  • Einhaltung gesetzlicher Pflichten, um Bußgelder und Haftungsrisiken zu vermeiden.
  • Optimierung der Arbeitsbedingungen, um die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu steigern.
  • Langfristige Reduzierung von Krankheitsausfällen durch präventive Maßnahmen.

Schutz vor psychischer Belastung

Psychische Belastungen sind in modernen Arbeitswelten eine zunehmende Herausforderung. Die Gefährdungsbeurteilung muss laut § 5 ArbSchG explizit auch psychische Belastungen wie Stress, emotionale Erschöpfung oder Isolation durch Homeoffice-Arbeit umfassen. Relevante Aspekte für Community-Manager sind:

  • Hoher Arbeitsdruck und Zeitdruck durch ununterbrochene Online-Diskussionen.
  • Emotionale Belastung durch den Umgang mit Hassrede und Beleidigungen.
  • Fehlende Abgrenzung zwischen Beruf und Privatleben, insbesondere im Homeoffice.

Maßnahmen zur Reduzierung dieser Risiken können umfassen:

  • Regelmäßige Supervisionen und psychologische Unterstützung.
  • Klare Abgrenzung von Arbeits- und Pausenzeiten.
  • Geregelte Arbeitszeiten, sowie ausreichend Personal und Ressourcen
  • Technische Maßnahmen zur Reduktion direkter Konfrontation mit belastendem Content, z. B. Filtertools für toxische Inhalte.
  • Regelmäßige Schulungen und feste Zeiten für die Reflektion im Team.

Sowohl die physische, als auch die psychische Gefährdungsbeurteilung (PGB oder GB Psych) ist im §5 ArbSchG geregelt und somit gesetzlich verpflichtend. Eine mangelhafte oder fehlende Durchführung kann rechtliche Konsequenzen haben. Die Pflicht besteht im übrigen schon ab einem Mitarbeitenden.

Muster: Gefährdungsbeurteilung für Community Management

Ich sehe in der Praxis im Bereich der Gefährdungsbeurteilung einen großen Nachholbedarf. Entweder ist gar keine vorhanden, oder es wird versucht eine allgemeine Version für Bildschirmarbeitspltze zu nutzen, die aber potentielle Risiken aus der Online-Moderation nicht berücksichtigt. Aus diesem Grunde habe ich ein (nicht allgemein- oder rechtsgültiges) Muster für eine Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsbereich Community und Social Media Management erstellt. Vielen Dank an dieser Stelle an Susanne, Melanie, Andreas, Chris und Kata, die mir Einblick in ihre Gefährdungsbeurteilungen gegeben und mich bei der Recherche unterstützt haben.

Bild mit der Aufschrift "Muster für Gefährdungsbeurteilung für Community und Social Media Management"

Dieses Muster ist als Inspiration für Unternehmen und Organisationen zu verstehen, muss an Eure individuellen Gegebenheiten angepasst werden und erhebt ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständig- oder Rechtsgültigkeit. Bei der Erstellung einer auf Euer Unternehmen abgestimmten Gefährdungsbeurteilung helfen diese Quellen:

Mein Appell – besteht hier auf Euer Recht auf die Gefährdungsbeurteilung und die Einleitung entsprechender Arbeitsschutzmaßnahmen. Wenn trotzdem keine Verbesserung eintritt, habt Ihr zumindest die Bestätigung, dass es höchste Zeit ist, sich ein besseres Umfeld zu suchen. Kein Job der Welt ist Eure Gesundheit wert!

Begrenzung der Arbeitszeit

Gemäß § 3 ArbZG darf die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten, in Ausnahmefällen maximal zehn Stunden mit einem entsprechenden Ausgleich. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass:

  • Community-Manager nicht dauerhaft Überstunden machen.
  • Arbeitszeiten realistisch an das Kommentarvolumen angepasst werden.
  • Nach besonders belastenden Schichten ausreichend Erholungszeiten gewährt werden.

Darüber hinaus müssen gemäß § 5 ArbZG mindestens 11 Stunden ununterbrochene Ruhezeit zwischen Arbeitsende und erneutem Arbeitsbeginn liegen. Ausnahmen gibt es hier gemäß Absatz 2 unter anderem für den Rundfunk, wobei hier maximal um eine Stunde verkürzt werden darf. Das auch nur, wenn diese Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ausgeglichen wird.

Pflicht zur Pausen- und Erholungszeit

Gemäß § 4 ArbZG steht Arbeitnehmer*innen eine Pause von 30 Minuten zu, wenn die Arbeitszeit mehr als sechs, aber nicht mehr als neun Stunden beträgt. Bei einer Arbeitszeit von über neun Stunden erhöht sich das Pausenrecht auf 45 Minuten. Diese Pausenzeiten können in Abschnitte von mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Ein durchgehendes Arbeiten von mehr als sechs Stunden ist nicht gestattet. Die Pausen müssen innerhalb der Arbeitszeit liegen und können nicht genutzt werden, um den Arbeitstag früher zu beenden. Zudem müssen sie im Voraus festgelegt werden, wobei eine flexible Zeitspanne ausreicht.
Arbeitgeber sollten ergänzend:

  • Häufige kurze Pausen für Moderatoren ermöglichen. Eine Studie, die ich hier verlinken werde sobald sie offiziell veröffentlicht wird, zeigt hier sehr deutlich, welche Verbesserung allein 10 Minuten Pause bringen können.
  • Strategien zur Erholung und psychischen Distanzierung fördern.
  • Gut Planen, wann Inhalte, die ein großes kontroverses oder negatives Echo haben, veröffentlicht werden.
  • Ein Plan B haben, wenn Themen unerwartet eskalieren und die ursprüngliche Personalplanung nicht funktioniert.

Die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorgaben ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern Euer verbrieftes Recht. Wie gesagt, wenn es hier schon zu „unterschiedlichen Meinungen“ bei der Einhaltung des Minimums gibt – gute Community und Social Media Manager*innen finden immer eine Alternative. Sprecht mich gerne an. Im nächsten Abschnitt möchte ich Euch Bespiele aus Unternehmen und Organisationen zeigen, die bereist gute Konzepte implementiert haben.

Best Practices aus der Praxis

Immer mehr Unternehmen und Organisationen verstehen nicht nur die Bedeutung von Community Management, sondern auch ihre Verantwortung und Fürsorgepflicht für die Mitarbeitenden. Hier werden nicht nur rechtliche Mindestanforderungen erfüllt, sondern darüber hinaus auf ein Arbeitsumfeld geachtet, in dem Community Management gut gelebt werden kann. Ich möchte Euch hier vier dieser Best Practice Beispiele vorstellen, die Ihr gerne als Vorbild zu Euren Vorgesetzten mitnehmen könnt. Allen vieren habe ich die Frage gestellt „Wie organisiert ihr eure Community Management Teams so, dass keine Überlastung durch Hassrede und Co entsteht?“

Schutzmaßnahmen im Community Management bei der FAZ

Ina Lockhart | Leiterin Social Media
Frankfurter Allgemeine Zeitung
(Foto: Wolfgang Eilmes)

Wir investieren viel Zeit und Sorgfalt in die Einarbeitung neuer Teammitglieder und in unsere ständige Fortbildung, die uns in unserem Selbstvertrauen und unserem Fokus bestärkt. Die Fortbildungs-Workshops dienen auch dazu, uns aus dem Alltag am Social Desk auszuklinken und mit Abstand auf unsere tägliche Arbeit zu schauen und uns dazu auszutauschen – zusätzlich zu unserem monatlichen Team-Meeting und dem täglichen Miteinander. Wir pflegen in unserem Alltag Resilienz und Pausendisziplin. Beide sind wichtig, damit wir Hassrede-Kommentare gut moderieren können und unsere Fähigkeit bewahren, konstruktive Kommentare wertzuschätzen und weiterhin an die gute Absicht der Kommentierenden zu glauben. Zum Thema Resilienz haben wir einen kleinen Leitfaden mit praktischen Tipps erstellt, der für alle jederzeit zugänglich ist. Bei der Einstellung neuer Teammitglieder achten wir darauf, dass wir im Team eine Vielfalt an Persönlichkeiten vertreten haben. Das hilft uns dabei, uns gegenseitig aufzufangen und zu bestärken im täglichen Community Management. Wichtig ist auch, dass wir alle regelmäßig vor Ort zusammenarbeiten. Das persönliche Miteinander verbessert die Motivation, aber auch die Qualität unserer Arbeit. Jede und jeder im Team weiß, dass sie oder er jederzeit um Hilfe bitten kann, wenn Hassrede-Kommentare sie oder ihn überfordern oder wenn persönliche Triggerthemen einen in der Moderation blockieren.


Schutzmaßnahmen im Community Management bei ALONDRA Social

Bei ALONDRA sorgen wir in vielfältiger Weise für den Schutz unserer Mitarbeiter:innen. Neben einem kontinuierlichen Austausch via Chat und Calls (da wird eine Remote Agentur sind), pflegen wir unter anderem regelmäßige Workshops bei Vivian, zu denen wir auch unsere Kund:innen einladen. Darüber hinaus stellen wir allen Kolleg:innen über eine Partnerschaft monatlich eine 60 Minütige Session mit Psycholog:innen zur Verfügung, die der Arbeitgeber zahlt. Diese Sessions dürfen von jedem frei verwendet werden und bleiben auch anonym. Dazu gesellt sich last but not least das Thema Teamsession, welche von Psycholog:innen geleitet wird.

Steven Urry | Managing Partner
ALONDRA Social

Schutzmaßnahmen im Community Management beim Hessischen Rundfunk

Tom Klein | Koordinator Community Management Hessischer Rundfunk
(Foto: © Ben Knabe/hr)

Wenn wir Hassrede oder viele toxische Inhalte unter geplanten Beiträgen erwarten, planen wir vorab personell mehr Moderator*innen ein. Wenn das mal nicht möglich sein sollte, dann publizieren wir die Beiträge zeitlich dort, wo wir personell am stärksten besetzt sind – also beispielsweise nicht spät am Abend, wenn die Redaktion nachts nicht besetzt ist. In Fällen, in denen wir es nicht absehen konnten, holen wir ad hoc-Verstärkung aus einem Pool ins Team. Die Ultima Ratio ist, dass wir nachts die Kommentarspalte schließen und erst wieder am nächsten Morgen öffnen. Darüber hinaus bieten wir schon seit langem psychologische Supervision für Redaktionsteams oder Gruppen an. Jetzt haben wir noch ein zusätzliches neues Angebot im hr: Jede*r Content-Moderator*in kann im Bedarfsfall nach eigenem Ermessen Online eine Einzelsupervision buchen – eine extra Freigabe durch die Teamleitung oder Personalabteilung braucht es dafür nicht. Damit ermöglichen wir jedem Mitarbeitenden in den CM-Teams einen ganz niedrigschwelligen und einfachen Zugang zu dieser Form der Unterstützung. Darüber hinaus haben wir einen Teams-Channel für unsere Moderatorinnen, in dem wir uns gemeinsam austauschen und schnell kollegiale Unterstützung bekommen können. Dort sind auch Kolleg*innen aus der Rechtsabteilung, dem Social-Media-Management und der Unternehmenskommunikation, so dass wir sehr schnell eine ganzheitliche Betrachtung und ad-hoc-Reflexion hinbekommen.


Schutzmaßnahmen im Community Management bei Greenpeace

Bei Greenpeace Deutschland haben wir regelmäßig Supervision gemeinsam mit einer Diplom-Psychologin, die auf dem Gebiet Hass und Gewalt im Netz viel Erfahrung hat. Alle sechs bis acht Wochen treffen wir uns online und besprechen, was uns in der letzten Zeit belastendes begegnet ist. Wir bekommen Tipps und Übungen an die Hand, um uns zu entlasten. Zusätzlich setzen wir uns als Team wöchentlich zusammen und besprechen, was die letzte Woche wichtiges oder auch belastendes aufgetaucht ist. Dabei suchen wir gemeinsam nach Lösungen und erinnern uns gegenseitig an unser Gelerntes aus der Supervision. Außerdem bin ich als Senior jederzeit ansprechbar für meine Kolleginnen und übernehme in Notfällen die Arbeit. Zudem haben wir einzeln oder als Team die Möglichkeit uns in Notfällen oder besonders anstrengenden Zeiten einen zusätzlichen Termin bei unserer Psychologin zu buchen. Dann wird nochmal extra auf die aktuelle Situation geschaut und an Entlastungen gearbeitet.

Beate Steffens | Community Managerin
Greenpeace

Vielen Dank an dieser Stelle an Ina, Tom, Steve und Beate für die Einblicke! Bei Euch ist der Status Quo noch nicht ideal? Dann habe ich für Euch zum Abschluss eine Empfehlung, wie ein Prozess aussehen könnte, um diesen zu verbessern.

Vier Schritte zu einer guten Arbeitsumgebung

Ein gutes Arbeitsumfeld für Community- und Social-Media-Manager*innen entsteht nicht zufällig – es muss bewusst gestaltet und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Arbeitgebende sollten hier in einen strukturierten Prozess investieren, um gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden eine gesunde, sichere und motivierende Arbeitsumgebung zu schaffen. Der folgende Prozess ist ein Beispiel, wie das funktionieren kann:

1. Analyse & Bedarfsermittlung: Wo stehen wir?

Wie bei jeder vernünftigen Strategie steht erst einmal die Analyse des Status Quo an. Dabei helfen die folgenden Fragen:

  • Welche Herausforderungen erleben die Community-Manager*innen aktuell?
  • Wo gibt es psychische oder physische Belastungen?
  • Gibt es bereits Maßnahmen, die gut funktionieren?
  • Welche Maßnahmen fehlen? Was ist gut gemeint, aber schlecht gemacht?
  • Welche Prozesse gibt es insgesamt in dem Teams? Sind diese dokumentiert und allen bekannt?
  • Wie läuft das Thema Einarbeitung bei uns ab?
  • Welche Schulungen / Weiterbildungen bieten wir den Teammitgliedern für mehr Sicherheit und Resilienz?
  • Wie funktioniert es bei anderen Unternehmen und Organisationen?

Um diese Momentaufnahme zu erstellen, sind folgende Methoden gut geeignet:

  • Mitarbeiterbefragungen (anonym oder in offenen Meetings. Meine Empfehlung – zumindest zusätzlich anonym durchführen, denn so kommen auch Probleme zur Sprache, die nicht jede*r im Meeting anführen würde)
  • Workshops zur Bestandsaufnahme
  • Analyse der Arbeitsbedingungen, z. B. Arbeitszeiten, Belastungsspitzen, Homeoffice-Bedingungen
  • Gesundheits- und Sicherheitschecks am Arbeitsplatz durch einen Fachbetrieb

2. Gemeinsame Definition eines „guten Arbeitsumfelds“

Jeder Mensch und jedes Team hat individuelle Bedürfnisse. Deswegen ist es wichtig, gemeinsam zu definieren, was ein gutes Arbeitsumfeld für die jeweilige Situation bedeutet. Beispiele sind hier:

  • Klare Kommunikationswege & Eskalationsstufen für kritische Situationen
  • Klarer Rückhalt durch Vorgesetzte und das Unternehmen / die Organisation
  • Flexibilität in Arbeitszeiten zur Bewältigung von Belastungsspitzen
  • Sichere und geschützte Arbeitsumgebung (z. B. Maßnahmen gegen Doxing & Cybermobbing)
  • Angemessene personelle Ressourcen, um Arbeitsüberlastung zu vermeiden
  • Psychologische Unterstützungsangebote für den Umgang mit belastenden Inhalten
  • Stärkung des Zusammenhaltes im Team

Ziel ist hier eine gemeinsame Vision für das Arbeitsumfeld zu entwerfen, die allen Beteiligten Orientierung gibt. Meine Empfhelung: Haltet den Konsens schriftlich fest und bestimmt eine Person, die „den Hut auf hat“, sowie jemanden, der Maßnahmen und Budgets wirklich freigeben kann. Idealerweise in Personalunion, aber mir ist bewusst, dass das nicht immer möglich ist.

3. Entwicklung und Umsetzung konkreter Maßnahmen

Basierend auf den Erkenntnissen aus Schritt 1 und 2 könnt Ihr dann gezielte Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. Dazu können zum Beispiel gehören:

a) Arbeitsorganisation & Strukturierung

  • Einführung eines Rotationssystems, um die Dauerbelastung durch Hassrede zu minimieren.
  • Definition klarer Arbeitszeiten & Pausenregelungen, um Überlastung zu vermeiden.
  • Einführung eines Notfall- und Schutzkonzepts, z. B. juristische Unterstützung bei Bedrohungen.

b) Technische Unterstützung & Automatisierung

  • Implementierung von Moderationstools, die belastende Inhalte automatisch filtern.
  • Stärkung der IT-Sicherheit, um persönliche Angriffe auf Mitarbeitende zu verhindern.
  • Optimierung der Arbeitsplatz-Ergonomie, insbesondere für Homeoffice-Arbeit.

c) Psychologische Unterstützung & Community Care

  • Bereitstellung von psychologischer Beratung & Supervision.
  • Förderung von Austauschformaten, z. B. Peer-Support-Gruppen oder Reflexionsgesprächen.
  • Einführung eines Buddy-Systems, um Mitarbeitende emotional zu entlasten.

Mehr Inspiration für mögliche Maßnahmen findet Ihr sowohl in der Gefährdungsbeurteilung oben, als auch in den Interviews zu den Best Practices im vorherigen Abschnitt. Außerdem möchte ich euch an dieser Stelle das Workbook von Netzhorizonte ans Herz legen, dass eine Menge an Wissen und Impulsen rund um die Arbeitsorganisation im Community Management enthält. In meinen Artikeln zum Thema Resilienz im Community Management, sowie Hassrede im Community Management, findet Ihr ebenfalls Ideen.

4. Evaluation & Weiterentwicklung

Was heute ein gutes Arbeitsumfeld ist, kann nächstes Jahr schon nicht mehr auf die Bedürfnisse des Teams passen. Deswegen ist es wichtig, regelmäßig zu überprüfen und die Maßnahmen gegebenenfalls anzupassen.

Maßnahmen zur Qualitätssicherung:

  • Regelmäßige Feedback-Runden mit Mitarbeitenden (monatlich oder quartalsweise)
  • Regelmäßige anonyme Umfragen (jährlich) um eine Vergleichbarkeit herzustellen, sowie Defizite und Stärken zu identifizieren
  • Analyse von typischen Kennzahlen wie Krankheitstage, Mitarbeiterzufriedenheit und Fluktuation
  • Anpassung der Maßnahmen basierend auf neuen Herausforderungen oder technologischen Entwicklungen

Ich möchte hier noch einmal betonen, wie wichtig es ist, dass Mitarbeitende aktiv in diesen Prozess eingebunden werden, sodass sie sich gehört fühlen und mitgestalten können. Eine Investition in die Gesundheit und das Wohlbefinden des Community Teams mag aufwendig erscheinen, aber zahlt sich auf jeden Fall aus – nicht nur weil es den Mitarbeitenden besser geht, sondern weil sich dies auf die Qualität der Moderation positiv auswirkt.

Fazit

Die Moderation von Hassrede ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die nicht nur klare arbeitsrechtliche Strukturen erfordert, sondern auch echte Fürsorge durch die Arbeitgebenden. Durch eine faire Arbeitsverteilung, geregelte Arbeitszeiten, psychologische Unterstützung, regelmäßige Weiterbildung und Homeoffice-Optimierungen kann langfristig eine gesunde und effektive Moderation gewährleistet werden. Ein Vorteil sowohl für die Arbeitgebenden, als auch die Community und Social Media Manager*innen

Quellen

* BVCM Studie 2023 https://www.bvcm.org/studie/ Evertz, Katja/Evertz, Stefan, 2023, Social Media und Community Management – BVCM-Studie 2023. Nordkirchen: Bundesverband Community Management e. V. – für Social Media und digitale Kommunikation